Delphi Card Sorting
Das Card Sorting gehört ja zum Standardrepertoire eines Informationsarchitekten. Welche Card Sorting Varianten kennen wir? (Image: Łukasz Tyrała)
Nun, da wären zunächst das Open Card Sorting, es werden keine Kategorien vorgegeben. Der Nutzer baut und benennt die Kartenstapel selbst. Vorzugsweise durchgeführt, wenn man die Struktur eines Systems und die Zuordnung von Inhalten noch maßgeblich beeinflussen kann.
Dann gibt es das Closed Card Sorting, hier sind Kategorien bereits vorgegeben. Anwendbar wenn ein System bereits vorliegt. Kann benuzt werden um bestehendes Design zu evaluieren oder neue Inhalte unterzubringen.
Beide Varianten sind eher quantitative Analysemethoden. Gibt es eine Möglichkeit die qualitative Aussage, möglichst unabhängig von der Quantität zu steigern? Darüber hat sich Celeste Lyn Paul gedanken gemacht und kam zu einer Technik die sie in Anlehnung an die Delphi Methode, Modified Delphi Method nennt.
Modified Delphi Method Card Sorting ist eine Mischung aus offenem und geschlossenem Card Sorting.
Delphi Method
Nun, was ist zunächst diese Delphi Methode und um was geht es dabei?
The Delphi method was developed at the Rand Corporation in the 1950's and 1960's to forecast the impact of technology on warfare. It is a systematic interactive forecasting method based on independent inputs of selected experts. The Delphi method recognizes the value of expert opinion, experience and intuition.
Die Delphi Methode ist nicht neu. Sie wurde Ende der 60er Jahre in Amerika entwickelt. Man suchte nach neuen Techniken Vorhersagen von Experten verbessern zu können. Es ging dabei allgemein gesagt um die Vorhersage langfristiger Entwicklungen auf dem Gebiet der Technologie und gesellschaftlicher Veränderungen. Vorallem das amerikanische Militär schien sich sehr früh für die Methode zu interessieren.
Es gibt also einen Entscheider und mehrere Berater (aka Experten). Wie bekommt der Entscheider nun die bestmögliche Info aus den teilweise in ihrer Meinung nicht immer übereinstimmenden Experten? Pickt er sich einen Experten heraus, dem er besonders vertraut oder folgt er dem Konsens der Gruppe? Design by committee birgt oft die Gefahr, dass sich dominante Individuen durchsetzen und der Gruppe ihre Meinung überstülpen.
Übrigens ein Punkt der in dem Buch The Wisdom of Crowds recht gut beschrieben wird.
Die Delphi Methode versucht nun von einer Gruppe von Experten eine gemeinsam getragene Antwort zu bekommen indem sie sich folgender Punkte bedient:
- anonyme Antworten einzelner über Fragebögen
- Wiedervorlage einer Zusammenfassung aller Antworten der Gruppe
- erneute anonyme Antworten einzelner über Fragebögen
Man legt der Gruppe also so lange ein Exzerpt aus anonymen Aussagen Einzelner vor (controlled feedback), bis sich das immer wieder neu angelegte Exzerpt nicht mehr groß ändert und hofft, dass der dann erreichte Konsens möglichst frei von dominierenden Individuen und anderen störenden Einflüssen ist.
Hier ist ein Artikel (PDF) aus dem Jahr 1967 in welchem Delphi vorgestellt wird und hier ist die Zusammenfassung (PDF) der von der Air Force unterstützten Forschungen aus dem Jahr 1969.
Modified Delphi Method
Zurück zur Informationsarchitektur. Hier ist die beratende Expertengruppe, die Gruppe der User die bei einem Card Sort teilnehmen. Man selbst ist der Entscheider und will von den Experten die möglichst beste Antwort bekommen.
Übertragen auf das Card Sorting funktioniert die Methode wie folgt:
- der erste User beginnt mit einem open card sort. Er legt also irgedeine Struktur vor
- von nun an geht es im closed Modus weiter. Jeder weitere Nutzer bekommt die Kategorien seines/seiner Vorgänger vorgelegt - mit der Bitte sie wenn nötig zu verbessern (er weiß dass das vorgelegte System aus der Feder eines vorigen Teilnehmers stammt)
Celeste Lyn Paul, die Entwicklerin dieser sehr neuen Methode sagt, dadurch kommt mehr Qualität in das Card Sorting und der Aufwand der Auswertung verringert sich sogar. Die Methode soll schneller und kostengünstiger sein. Es wird angenommen, dass man beim Modified Delphi Card Sorting weniger Teilnehmer benötigt, dennoch aber zu genaueren Ergebnissen kommt.
Ein gutes Interview mit Celeste Lyn Paul gibt es ganz aktuell beim UXpod. Hier ist eine Präsentation (PDF) von ihr vom Mai 2007.