19. November 2007

Information Scent

Information Scent könnte man übersetzen mit Informations-Witterung oder vielleicht etwas lockerer: Infoduft (lieber nicht) oder Informationsfährte. Bei Information Scent handelt es sich um das Generieren einer gewissen Erwartung im und beim Umgang mit Informationssytemen, oder wie es in dem Artikel Do Your Links Stink? Techniques for Good Web Information Scent (Bulletin of the American Society for Information Science & Technology, 2002) heisst: Well, this scent is not a smell that is detected with the nose; it is an information scent, based on our mental associations between concepts.

Das Konzept des Information Scent ist keineswegs neu. Eric Reiss hat in seinem Buch Practical Information Architecture aus dem Jahr 2000, bereits an der einen oder anderen Stelle davon geschrieben.

In information architecture terms, "scent" refers to the hints a visitor gets from the words and types of words used to label particular subjects.

Eine der wichtigsten Fähigkeiten von uns Menschen ist es Unbekanntes gegen bekannte Konzepte zu validieren. Auch wenn beispielsweise die meisten von uns noch nie einen Weißen Elefanten gesehen haben, so würden wir ihn ohne Zweifel als solchen auf der Straße oder im Zoo erkennen, da wir einfach die Konzepte Farbe Weiß und Elefant zusammenbringen und uns darauf verlassen können, dass das so schon ganz gut passt. Wir erkennen kleine Elefanten aus Holz und noch kleinere aus Porzellan. Wir erkennen sie in Dalis Bildern und manchmal in Wolkenformationen.

Wenn wir tatsächlich auf Unbekanntes oder Neues stoßen, suchen wir sofort nach verwandten, abstrahierten Konzepten mittels derer wir uns wieder auf vertrautes Terrain herüberretten können. Das ist beim Umgang mit Webseiten nicht anders. Wir besuchen Webseiten und navigieren vor und zurück und laden Daten hoch und runter.

Robert Laurini schreibt in Lecture Notes in Computer Science - Advances in Visual Information Systems (ebenfalls aus dem Jahr 2000):

Scent visualisation is based on the notion of users' trails in an information space, which was proposed by Bush more than half a century ago.

(Nebenbei eine Preisfrage: auf welchen Bush bezieht sich Laurini in seinem Statement? Es geht um einen fiktiven Informations-Apparat und dessen geistigen Vater...)

Wir projizieren also die uns sehr wohl vertrauten Konzepte wie Distanz und Bewegung auf das schwer zu begreifende Medium World Wide Web, und schon haben wir wieder sicheren Boden unter den Füßen.

Die Konzepte derer wir uns bedienen sind oft alt. Sehr alt. Sehr, sehr alt. Wie Peter Morville in Ambient Findability schrieb: We have transformed our environment but not ourselves. Technology moves fast. Evolution moves slow.

Auch auf der Suche nach Informationen kommt der Jäger in uns durch. Wir befinden uns auf der Jagd. Wir nehmen Witterung auf und suchen nach Fährten. Wir sind Informavoren - Informationsfresser, auf Nahrungssuche.

Die Idee, dass wir Informavoren sind stammt natürlich nicht von mir, sondern entspringt der information foraging theory (foraging = Nahrungssuche) die in den 1990ern enstanden ist. Ich zitiere am Besten die Wikipedia:

The most important concept in the information foraging theory is "information scent". As animals rely on scents to indicate the chances of finding prey in current area and guide them to other promising patches, so do humans rely on various cues in the information environment to get similar answers. Human users estimate how much useful information they are likely to get on a given path, and after seeking information compare the actual outcome with their predictions. When the information scent stops getting stronger (i.e., when users no longer expect to find useful additional information), the users move to a different information source.

Bei Information Scent geht es also darum das Auffinden von Informationen durch gezieltes Platzieren von Hinweisen zu unterstützen. Man legt eine Fährte die den Nutzer möglichst dorthin führen wird wo er hinwollte. Oder wie Jim in seinem Buch Designing Web Navigation: Optimizing the User Experience schreibt:

From patterns of navigation within a web site and cues that provide "scent" to information, such as link labels and link position, people predict the attributes of destination pages. They anticipate what comes next while navigating.

Ach ja, und jetzt noch die Auflösung: Laurini spielt an auf Vannevar Bush und seinen wirklich weltberühmten Artikel As we may think aus dem Jahr 1945. In diesem Artikel spricht sich Vannevar Bush für frei zugängliches Wissen für alle Menschen aus. Er entwickelt die Idee einer Maschine namens Memex die der theoretische Vorläufer des PCs war. Er sagt Hyperlinks, das World Wide Web und online Enzyklopädien voraus - und das alles 1945.

Wie, ihr wollt wissen ob ich das auch so spontan gewusst hätte? Hey, ich stell hier die Fragen :)